Rodeo auf Italienisch

Dieser Platz am Meer ist schon etwas Besonderes und ich könnte es hier noch eine Weile aushalten. Aber noch ein Mal so eine Tsunamiwarnung muss ich erst mal nicht haben und es zieht mich auch schon weiter.

Eigentlich wollte ich den gleichen Weg nicht zurück fahren aber mir bleibt nichts anderes übrig. Auf der Karte meinte ich gesehen zu haben, dass ich die Straße weiter fahren kann aber hier machen die Straßen manchmal ihr eigenes Ding. Und was ich hier noch gelernt habe: frage niemals nie nicht never ever einen Einheimischen wie der Zustand der Straßen ist. Zum einen ist das Befahren solcher „Straßen“ mit einem Pickup mit Allrad doch etwas unangestrengter als mit dem Motorrad, deshalb wird dir jeder Gefragte sagen, dass die Straßen tip top sind (auch wenn es das übelste Wellblech ist oder von Schlaglöchern nur so wimmelt) und zum anderen können sich die Straßen hier innerhalb von einer Woche stark verändern. Deshalb: Augen zu und durch.

Allerdings komme ich nicht sehr weit. Diese steilen Schotterlehmpisten sind runterwärts schon eine heikle Sache (und bei Regen will ich mir erst gar nicht vorstellen, was für eine Rutschpartie das gibt) und in die andere Richtung, nach oben, sind sie so lange ok zu fahren, bis eben ein paar üble Wellen auftauchen. Zu meiner Schande muss ich auch sagen: selber schuld. Ich hätte mir den Zustand schon beim Herfahren genauer anschauen können. Aber eigentlich bin ich doch nicht schuld, sondern die Hammeraussicht. Jawoll, die hat mich argwöhnisch abgelenkt.

Nun ja, was soll ich sagen: hab mal wieder ne Guzzi in den Dreck geschmissen.
Wenn ich mir das Bild so betrachte, dann sieht das gar nicht so wild aus und leider habe ich das mal wieder nicht gefilmt. Deshalb versuche ich mal in Worten zu beschreiben wie das ungefähr abgelaufen ist:

Also im ersten Gang da hoch. Natürlich im Stehen. Erste Welle: hoppla. Zweite Welle: irgendwas läuft hier gar nicht gut. Dann eigentlich nur noch: schepper, holperdipolter, Lenker haut es hin und her, Guzzi bockt wie ein Rodeopferd und dementsprechend werde ich ordentlich nach oben, nach vorne, zur Seite und zur anderen Seite hin und her aus dem Sattel und wieder zurück katapultiert , aaaaaaargh, ohweeeeh, und schon schrammt die Guzzi auf dem sehr losen Schotter an der Seite aber noch steht sie. Ungefähr eine Millisekunde lang dachte ich: hui, was für ein Dusel. Da fängt die kleine Guzzi an rückwarts zu rutschen. An dieser Stelle sei gesagt: ganz ganz blödes Gefühl. Vor allem wenn sich schlagartig ein Bild im Kopf manifestiert, dass nicht unweit eine Kurve kommt und in der Kurve geht es ordentlich bergab in wildes Gebüsch. Das hatte ich schon einmal und auf eine Wiederholung war ich nicht scharf. Aber viel machen konnte ich irgendwie nicht. Zu meinem Glück hat ein grosser Stein und der rechte Koffer unserer Rutschparie ein jähes Ende gesetzt. Puh.

So. Jetzt erst mal überlegen was ich mache. Natürlich erst mal versucht das Mopped aufzustellen. Nach einigen Versuchen hat das auch geklappt aber aufsteigen und weiter fahren klappt mal so gar nicht. Nach kurzem Augen verdrehen meinerseits packe ich grummelnd die Koffer ab.
Auf meiner Reise bisher habe ich ab und an den Dampf meiner grossen Stelvio vermisst aber jetzt bin ich unendlich froh, dass ich nicht das Eisenschwein hier liegen habe. Aber selbst die kleine V85 lässt sich nicht aus dieser misslichen Lage befreien. Wahrscheinlich erkennt man auf dem Bild nicht, wie steil das ist und das wäre auch noch machbar, allerdings rutscht das Mopped immer wieder weg. So, dann warte ich einfach mal, ob jemand vorbei kommt und mir helfen kann. Währendessen überlege ich mir einige Dinge, die ich eventuell machen könnte. Eines davon ist vielleicht die Möglichkeit das Motorrad langsam nach unten zu manövrieren. Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, kam auch schon ein Auto.

Und das sind meine zwei Tagesabschnittshelden. Muchas gracias !

Ab hier ging es dann wieder recht entspannt weiter. Und auf der Fahrt hier her bin ich durch eine sehr groteske Gegend gefahren. Da packe ich doch gleich mal meine Drohne aus und versuche das erste Mal die „Follow me“ Funktion. Und natürlich drücke ich die ersten paar hundert Meter nicht auf den Aufnahmeknopf. „schon wieder verdrehe ich die Augen“
Ich glaube, das nächste Mal versuche ich die Verfolgung mit der Drohne an einem etwas baumloseren Ort. Es ist etwas mühselig zu schauen, ob die Drohne nicht gegen einen Baum knallt oder ich, bei der Sorge um meine Drohne.

Vor ein paar Tagen war hier schönstes Wetter. Zuerst fand ich es etwas schade, dass es nun so vernebelt ist und leicht nieselt. Aber das macht diesen Ort irgendwie gespenstisch. Vor allem diese Stille unterstreicht diese etwas surreale Gegend.
Als ich meine Drohne wieder zusammen packe wird die Stille durch zwei näher kommenden Autos gestört. Es sind tatsächlich meine netten Nachbarn vom Campinplatz. Als ich ihnen kurz erzähle, was mir vorhin an dem Berg passiert ist, wollten sie sofort aussteigen und schauen, ob alles in Ordung ist. Sie waren sichtlich beruhigt, als ich ihnen sagte, dass nichts passiert ist. Habe ich diese Herzlichkeit, die hier einem jeden Tag entgegen gebracht wird schon erwähnt? Also das kann man eigentlich nicht oft genug sagen. (winkend mit einem kleinen Zaun)

Weiter geht es Richtung Süden. Die Piste ist jetzt sogar richtig angenehm zu fahren. Naja, bis auf eine scharfe Kurve, die aus einem Mix aus Sand und etwas Schotter besteht. Das Hinterrad rutscht kurz weg aber ich war wohl ziemlich bockig und hatte keine Lust heute ein zweites Mal die Guzzi aufzustellen. Kurz am Gas gezogen und die kleine Guzzi ist wieder in der Spur. Na also, geht doch. Puls ist trotzdem im Galopp.
Ein Schopfkarakara begleitet mich ein Stück und lässt sich nach einiger Zeit in einem Baum nieder. Ich überlege kurz, ob ich auch anhalte und absteige aber dann wird er bestimmt gleich wieder davon fliegen, also versuche ich ihn mit meiner kleinen Kamera zu erwischen. Leider ist das Foto nicht ganz scharf geworden aber ich konnte ihn eine Weile beobachten und er mich. Schönes Tier. Hier schwirren auch viele Australische Sittiche rum. Zumindest glaube ich, dass sie das sind. Leider habe ich sie nur abends, vor allem in Osorno, gehört. Die machen einen Höllenlärm. Zum fotografieren ist das in der Dämmerung etwas schwierig, da sie ziemlich flink durch die Gegend fliegen.

Ich habe mir die letzten Tage angewöhnt Campingplätze bei I Overländer zu suchen und wenn etwas passendes dabei ist, schaue ich im Gockel, ob es eine Telefonnummer gibt. Ich bin jetzt oft genug Plätze angefahren, die geschlossen hatten. So spart es mir Zeit mit der Suche nach Plätzen. Bei Maullin habe ich wieder einen direkt am Meer gefunden. Tsunami hin oder her. Der Platz ist gut. Allerdings gibt es hier nur eine kalte Dusche und ein Plumpsklo ohne Licht. Naja, immerhin hat es Strom.

Die Gegend ansich ist eher unspektakulär aber der Sonnenuntergang war sehr schön anzusehen.

Mehr goldene Stunde geht fast nicht.
Wenn der Himmel brennt

Der nächste Tag ist wieder ziemlich windig und es regnet. Das ist eine gute Gelegenheit meinen Blog weiter zu schreiben und Bilder auf die externe Festplatte zu schieben. Währendessen besucht mich eine kleine Hühnerfamilie und so wie ich es hier in Chile gelernt habe, teile ich natürlich mein Essen.

Ein Hühnchen war besonders neugierig und leistet mir eine Weile Gesellschaft.

Die Bestitzer sind auch wieder mal so lieb. Die Enkeltochter, bei der ich über Whatsapp den Platz reserviert habe, kümmert sich rührend um mich und als ich ihr geschrieben habe, dass es hier ziemlich windig und kalt ist, hat sie gleich ihren Großeltern Bescheid gegeben und sie laden mich zum Essen und vor allem zu einem heissen Tee ein. Ich gebe mir wirklich sehr viel Mühe aber leider kann ich mich nicht mit ihnen unterhalten. Ich mache mich schon besser mit dem Verstehen aber Spanisch sprechen, zumindest so, dass es kein Blödsinn ist, klappt noch nicht wirklich.
Während des Essens kommen noch andere ihrer Enkelkinder dazu und ich werde gleich mal abgeknutscht. Für Deutsche, die ja im Allgemeinen einen eher kühlen Umgang mit Fremden haben, ist das erst einmal etwas befremdlich. Aber nicht unangenehm.
Der Großvater läd mich dann noch auf eine Runde „Kutsch“fahrt über den Strand ein. Die Kutsche ist eher eine etwas grössere Holzkiste auf 2 Rädern und die schaukelt ziemlich umher und in jeder Kurve mache ich mich schon drauf gefasst, dass wir umkippen. Aber die eingenwillige Konstruktion hält mehr aus, als man ihr zutraut.

Am nächsten Morgen bringt er mir noch heisses Wasser für Tee vorbei. Diese Menschen sind einfach zum knuddeln.
Da gestern das Touchpad meines Laptops den Geist aufgegeben hat, frage ich Pricilla, die Enkeltochter, ob sie weiss wo ich hier in der Nähe eine Mouse kaufen kann. Da sagt sie doch, dass ihr Bruder welche verkauft. Na, ich würde sagen, es läuft. Dann mache ich eben noch kurz einen Abstecher nach Maullin. Von kurz kann dann aber nicht die Rede sein.

Aber erst einmal zur Fähre. Als ich dort stehe und auf die Fähre warte, stellt sich ein Laster mit einer etwas grösseren Ladung in die Schlange. Mir wird gerade etwas mulmig und ich hoffe, die Fähre ist dementsprechend gross genug. Nun ja, was soll ich sagen, als dieser Laster auf die Fähre fährt, bin ich abermals erstaunt über die Lässigkeit der Chilenen. Ich denke mir jetzt einfach, dass die das ja wohl schon öfter gemacht haben und wissen was sie da tun. Trotzdem war ich dann froh, als wir das andere Ufer erreicht haben.

In Maullin angekommen, werde ich natürlich wieder herzlich begrüsst. Auch von dem wohl hässlichsten Hund, der mir je begegnet ist. Aber ein herzensguter Hund ist das.

Pricilla ist aber gar nicht da und so sitze ich erst einmal auf der Couch. Nach einer Weile kommt sie aber dann. Wir unterhalten uns so gut es geht und zack, steht schon wieder Essen auf dem Tisch. Pricilla muss aber noch mal kurz weg. So unterhalte ich mich mit ihrer Schwester und ihrer Mutter. Und das geht sogar erstaunlich gut. Es wird sogar richtig lustig. Nach und nach trudelt noch ihr Bruder und ihr Vater ein. Eigentlich wollte ich ja nur kurz hier sein und die Mouse kaufen aber irgendwie wird das hier langsam gemütlich und als ich sage, dass ich weiter fahren möchte, geht das natürlich nicht.

Erst mal gibt es Mittagessen. Vielleicht wurde ich zwischen Tee, Kuchen und Mittagessen adoptiert und habe es nicht mit bekommen. Als ich dann wirklich los möchte, bittet mich die Mutter noch kurz zu warten. Sie ist dann irgendwo hin gefahren. Kurze Zeit später kommt sie zurück und schenkt mir einen riesigen Aufkleber von Maullin. Also jetzt muss ich mir echt fast eine Träne verkneifen. Die Verabschiedung war keinesweg wie unter Fremden. Ich hatte das Gefühl, dass sind Freunde, die ich schon lange kenne.

Es dauert auch nicht lange, als ich unterwegs überlege, ob ich nicht doch zurück fahre und bleibe. Aber ich habe ja noch einiges vor mir und vielleicht schaffe ich es ja noch mal dort hin auf dem Rückweg von der Carretera Austral.

Dieser Tag wird mir auf jeden Fall für immer in Erinnerung bleiben und beneide diese Menschen schon fast ein klein wenig, für ihre Wärme und Herzlichkeit, die sie einem Fremden schenken.

Im nächsten Bericht erkläre ich den Unterschied zwischen einem Alpaka und einem Lama.

10 Antworten

  1. der Holm sagt:

    Hurra, hrurra, die Flora! Sie ist wieder da!

  2. Inge sagt:

    Dann ist ja alles gut!!! Ich glaube übrigens, die Chilenen reagieren nur auf deine offene natürliche Art.
    Du weißt ja, wie mer in de Wald nei schreit……

  3. Susanne Keinrad sagt:

    Hallo Flora,schön das Du wieder da bist.Grüße Susanne.☺

  4. Iris Hermann sagt:

    Liebe Flora, was sind wir froh, dass es dir gut geht und dir nichts passiert ist! Weiterhin schöne Begegnungen und Erlebnisse. Schreib weiter wir freuen uns sehr über Neuigkeiten. LG Iris

  5. Cornelius sagt:

    Hi Flora, das sind ja echt Erlebnisse fürs Leben. Weiterhin toi toi toi. Immer schön deine Bilder zu sehen und deine Reiseerlebnisse mitzuverfolgen. LG von Cornelius

  6. Jürgen sagt:

    Guten Morgen aus der Heimat
    Und alles gute zum Geburtstag

    • Flora sagt:

      Hallo Jürgen,
      vielen vielen Dank. Das ist lieb, dass du daran gedacht hast. Sorry, dass ich mich erst jetzt melde. Aber entweder hab ich kein Netz bzw. ziemlich schlechtes Netz oder keinen Strom… Tja, irgendwas ist ja immer 🙂 Aber so lange genug Sprit im Tank ist, ist alles gut 🙂
      Schöne Grüsse an die Kollegen. 🙂

  7. der Holm sagt:

    Schon wieder Funkstille? Dann hat sie hoffentlich Spaß, die Flora!

  8. Super Im your regular folower Flora….nice fotos, I do not undenstand all of text but I follow point. Great expiriance, life goes on especilly Floras one…

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